Ein Internetroman von Leonard Lassan und anderen

Eva und Eberhard

Während Robert Beckmann mit seinen Mitschülern auf der letzten Klassenfahrt seiner Schulzeit im Elsass unterwegs war, marschierten in der Nacht zum 21. August 1968 etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns, Bulgariens und der DDR in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es war die größte Militäroperation in Europa seit 1945.

In diesen Tagen lebte Eva in Köln und machte sich große Sorgen um ihren Freund Eberhard

Im Sommer 1967 war Eva mit einer Studentengruppe an den Plattensee nach Ungarn gefahren. Es sollten schöne Urlaubswochen werden. Gleich zu Beginn lernte sie zwei nette Studenten aus Jena/DDR kennen – Eberhard und Volker. Sie unternahmen viel gemeinsam, gingen baden, machten Ausflüge, spielten Federball und unterhielten sich angeregt über die deutsche Teilung. Eva verliebte sich in Eberhard und er machte ihr auch gleich am Anfang deutlich, dass er gerne nach Westdeutschland kommen würde. Aber wie ? Die Mauer trennte beide Länder.

Sie verabredeten beim Abschied sich bald wiederzusehen und zwar in der DDR.

Ein halbes Jahr später war es soweit. Eberhards Mutter hatte die Einreise für Eva beantragt und hatte sie als Verwandte ausgegeben. Denn es durften nur Verwandte in die DDR einreisen.

Der Aufenthalt in Arnstadt / DDR war für sie sehr interessant und schön, weil sie verliebt und neugierig auf das andere Deutschland war. Sie besuchten Weimar, Erfurt und Jena, die Wartburg in Eisenach und den Thüringer Wald. Eberhards Eltern waren sehr nett zu ihr, so dass sie sich sofort bei ihnen wohl fühlte.

Eva und Eberhard verabredeten, sich bald in Ostberlin wiederzusehen.

Beim nächsten Treffen wurden die Fluchtüberlegungen konkreter.

Eva nahm in einer weiteren Reise nach Westberlin Kontakt mit einer Fluchthilfeorganisation auf. In ausführlichen Gesprächen wurde ihr mitgeteilt, dass sie bei den Fluchtvorbereitungen aktiv mitarbeiten sollte. Das wollte sie nicht. Und so beschlossen sie, die Flucht und die Vorbereitungen alleine zu organisieren.

Die Flucht sollte von der Tschechoslowakei aus über die Grenze nach Österreich gehen. Die Grenze war streng bewacht, aber sie wussten, dass nicht scharf geschossen wurde. Eva hatte im Vorfeld Landkarten von der Grenzregion besorgt.

Sie trafen sich im Mai 1968 in Bratislava und gaben alles Geld aus, das Eberhard mithatte und kauften Geschirr und andere Dinge für den Haushalt.

In einer dunklen Nacht fuhr Eva ihren Freund ca.50 km nach Norden in Richtung Zavod an der Grenze entlang. Er hatte dunkle Sachen an, das Gesicht geschwärzt und eine Zange dabei, um den Zaun durchzuschneiden. Er wusste, dass er durch einen Grenzfluss, die March, musste. Sie verabschiedeten sich voller Optimismus und versprachen, sich am nächsten Tag auf der anderen Seite in Österreich zu treffen.

Eva fuhr anschließend wieder die Strecke zurück und nahm den Grenzübergang nach Österreich. Zu ihrer Überraschung wurde sie an der Grenze nicht kontrolliert.

Am nächsten Morgen suchte sie den Zoll im Grenzschutzgebiet auf.

„Ist hier heute Nacht ein Flüchtling angekommen“, so lautete ihre erste Frage.

„Leider nein“, war die Antwort. „Aber vielleicht schafft ihr Freund es in der nächsten Nacht“, lautete die Antwort. Eva hat dann eine weitere Nacht an der Grenze verbracht und am nächsten Tag wieder die Grenzbeamten aufgesucht. Aber es war wieder kein Flüchtling in der Nacht angekommen.

Nun waren Evas Hoffnungen ganz zerschlagen. Die Grenzbeamten schlugen vor mit Hunden das unwirtliche Niemandsland am Fluss abzusuchen, ebenfalls war ein Boot mit Männern unterwegs, die mit Stangen das Wasser nach einem toten Eberhard absuchten. Es war sehr deprimierend. Sie durchquerten das mannshohe Gras, immer beobachtet von den tschechischen Grenzsoldaten mit Ferngläsern in ihren Wachtürmen.

Was sollte sie tun? Verzweifelt rief sie ihre Eltern an. „Komm nach Hause und fahr vorsichtig“, so war ihr Rat.“

Tränenüberströmt fuhr Eva alleine mit ihrem R4 Richtung Wien. Wie sollte sie die Rückreise schaffen? Kurz vor Wien nahm sie 2 Tramper in ihr Auto mit. Sie sollten sie ablenken. Aber kurze Zeit später fuhr sie ungebremst in einen Auffahrunfall. Die Tramper leicht verletzt, Eva unter Schock. Die Polizei nahm den Schaden auf, und Eva kam in ein Krankenhaus, wo sie bald wieder entlassen wurde.

Das Auto war Totalschaden. Das gekaufte Geschirr kaputt, das Geld gestohlen.

So stand Eva in Österreich – ohne Geld und musste am nächsten Tag zu einer Gerichtsverhandlung.

Sie wurde dann von einem jungen Mann angesprochen, ob sie 2 Tage vorher geschockt bei einem Auffahrunfall am Straßenrand gesessen habe. Eva bejahte und es stellte sich heraus, dass er Mitglied einer schweizerischen Fußballmannschaft war, die auf dem Weg nach München war. Da sie kein Auto mehr hatte, nahmen sie Eva in ihrem Bus mit und setzten sie am Münchener Hauptbahnhof ab. Eva hatte sich inzwischen telegraphisch Geld überweisen lassen und konnte so mit dem Zug nach Hause fahren.

Zuhause angekommen, musste sie erst einmal die Eltern von Eberhard verklausuliert informieren, dass ihr Sohn bei einem Fluchtversuch verschollen war. Es war eine sehr beunruhigende und anstrengende Zeit nicht zu wissen, was aus ihrem Freund geworden war.

Inzwischen waren die Russen in die Tschechoslowakei einmarschiert. Das Land im Chaos. Ihr Freund schon seit 3 Monaten verschwunden. Bis sie eines Tages die Nachricht von seinen Eltern erhielt: Der Staatssicherheitsdienst war da und hatte eine Durchsuchung vorgenommen. Ihr Freund saß im Gefängnis in Karl-Marx-Stadt ein.

Nun gingen viele Briefe hin und her. Eva und Eberhard hatten im Vorfeld abgesprochen, dass Eberhard bei einer Gefangennahme immer sagen sollte, er wolle in den Westen. Sie wussten, dass es hier Möglichkeiten des Austausches gab.

Außerdem sollte er sagen, dass Eva schwanger sei und nicht in die DDR kommen wolle. Nach Monaten stand die Gerichtsverhandlung an. Das Gericht wollte von Eva eine Schwangerschaftsbescheinigung. Über Beziehungen fand sie in Bochum einen Frauenarzt, der ihr eine Schwangerschaft bescheinigte. Eberhard wurde zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt, sein Staatsexamen in Medizin aberkannt.

Eva hatte inzwischen über das Gesamtdeutsche Ministerium einen Anwalt in Berlin zugeteilt bekommen, der ihre und die Interessen ihres Freundes vertreten und den Kontakt zu Dr. Vogel in Berlin herstellen sollte.

Bei einem Anwaltsbesuch in Westberlin wurde sie auf dem Flughafen von einem Zöllner angesprochen: Fräuleinchen, Sie haben Glück, heute fliegt mit Ihnen ein hoher amerikanischer Beamter.

Das ist ein Wink des Schicksals, sagte sich Eva und sprach beim Einchecken den Politiker an. Eva schilderte ihm die Situation, in der sich ihr Freund befand. Der Rückflug nach Westdeutschland wurde abgesagt und am nächsten Tag wurde Eva in die amerikanische Botschaft in Berlin eingeladen. Auch dort schilderte sie die Situation, in der sich ihr Freund befand.

Die Antwort der Amerikaner war folgende: Wenn wir uns um die Freilassung ihres Freundes bemühen, wird er noch größere Schwierigkeiten bekommen. Man wird sich fragen, was hat Eberhard mit den Amerikanern zu tun. Es ist gut, dass beide Anwälte in Ost und West involviert sind und sich um die Sache kümmern.

Eva flog nach Hause und unterstützte weiterhin ihren Freund mit Briefen.

Viele Monate vergingen. An einem Morgen klingelte ihr Telefon. „Hier ist Eberhard, ich bin im Auffanglager Unna.“

Was war das für eine frohe Botschaft!!!

Eberhard erzählte ihr, dass er an der Grenze auf eine Leuchtrakete getreten war und dann mit Hunden gesucht und gefangen wurde.

Er kam in unterschiedliche tschechische Gefängnisse. Die Wärter waren aufgrund der russ. Okkupation unsicher, ob sie ihn in den Westen oder Osten entlassen sollten. Zum Schluss wurde er in die DDR ausgeliefert.

Eberhard wurde am Ende der Gefangenschaft auf der Glienicker Brücke ausgetauscht. Der Ostberliner Rechtsanwalt Vogel sagte ihm noch: „ Sie können sich bei ihrer Verlobten bedanken.“

Eberhard zog zuerst zu Eva und ihren Eltern. Schnell fanden sie eine Wohnung und Eberhard eine Stelle als Assistenzarzt in einer großen Klinik.

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