Ein Internetroman von Leonard Lassan und anderen

Die Heirat – eine Deutsch-Niederländische Beziehung

Am 16.05.1959 haben die Eltern von Maria geheiratet. Das besondere war, dass Mutter Dora, die in Amsterdam geboren wurde, sich für einen Deutschen namens Helmut aus Ennepetal, einer kleinen Stadt im Ruhrgebiet, entschieden hat.

Dora und Helmut sind in Kriegszeiten aufgewachsen.

Helmut war Jahrgang 1932 und daher zu jung, um ein aktiver Nazi gewesen zu sein. Die Eltern von Helmut sind zu früh gestorben, so dass Maria keinen eigenen Eindruck von diesen und ihren Lebensvorstellungen gewinnen konnte.

Vom Typ vermutet Maria, dass Helmut jedenfalls ein begeisterter Hitler-Junge gewesen sein könnte. Er liebte die Geselligkeit und vermutlich das Gefühl der Zugehörigkeit. Als Erwachsener war Helmut kontaktfreudig und liberal. Zu seinem Naturell, so wie Maria ihn erlebt hat, passten Hetze gegen Andersdenkende in keiner Weise. Durch seinen frühen Tod waren Gespräche über sein Leben leider nicht mehr möglich.

Dora, geboren 1934, erlebte als Kind den Einmarsch der Deutschen. Diese besetzten im Mai 1940 die Niederlande. So wurde zum Beispiel schon kurz nach ihrem Schulbeginn 1940 das Schulgebäude durch die die Besetzer okkupiert und die Schüler anderweitig und natürlich schlechter und beengter untergebracht.

Mit Dora und ihren 7 Geschwistern sprachen ihre Eltern nicht über Politik. Man musste kämpfen, um die Familie zu ernähren, das Leben war schwer und man wollte sicher bei den Besatzern nicht auffallen. Diesen Eindruck hatte Maria jedenfalls, wenn über diese Zeit gesprochen wurde.

So wurde beispielsweise eines Tages, vermutlich in den frühen Morgenstunden irgendwann zwischen 1942 und 1943 ein älteres jüdisches Ehepaar mit viel Gegenwehr und Lärm aus dem Haus von Dora und ihrer Familie abtransportiert. Dora hat dies miterlebt, während ihre ältere Schwester dies verschlafen hat. Und diese erfuhr die Geschichte erst viele Jahre später, da in der Familie am kommenden Morgen oder später kein Wort darüber verloren wurde. Solch ein Abtransport muss in dieser Zeit sehr oft geschehen sein, da mit Kriegsbeginn ca. 80000 Juden in Amsterdam lebten, von denen viele aus Deutschland geflüchtet sind und nur 10.000 diese Zeit überlebt haben.

Dora war ein sportliches, optimistisches und temperamentvolles Mädchen und hat durch dieses für sie unpolitische Elternhaus keine Feindseligkeit gegen Deutsche entwickelt.

Bei einem Sportfest 1957 trafen sich mit Dora und Helmut zwei völlig unterschiedlich aufgewachsene junge Leute und verliebten sich.

Das Elternhaus von Dora war streng katholisch. Die Nationalität von Helmut war sicher ein Problem für Doras Eltern, schlimmer wäre es jedoch, wenn Helmut nicht ebenfalls katholisch gewesen wäre. So wurde der verliebten Dora also kein Widerstand vermittelt.

Und so kam es schließlich 1959 zur Heirat. Was dies für Dora bedeutete, die in eine kleine Stadt im Deutschland der Nachkriegszeit mit für sie fremden Lebens- und Moralvorstellungen zog, ist sicher eine eigene Geschichte.

Allerdings gab es in Deutschland vermutlich keine Ressentiments gegenüber Niederländern.

Die Familie von Dora hat Helmut offen empfangen. Ob dies bei Nachbarn oder andern entfernteren Verwandten anders war, hat Dora zumindest nicht verspüren können. Man sah sich natürlich in diesen Zeiten auch kaum, denn 250 km Entfernung in vor-Auto-Zeiten war nichts, was man mehr als einmal im Jahr auf sich genommen hat.

Aber wie war die Stimmung allgemein in den Niederlanden? Dies zeigte sich vielleicht sehr eindrücklich einige Jahre später.

1966- In diesem Jahr hat Kronprinzessin Beatrix von den Niederlanden den Deutschen Claus von Amsberg geheiratet. Dies geschah mit großem Widerstand durch die niederländische Bevölkerung – Krawalle am Hochzeitstag zeigten, dass die Deutsch-Feindlichkeit auch 20 Jahre nach Kriegsende bei vielen Niederländern noch sehr präsent war.

Claus hatte vor dieser Zeit eine Diplomatenkarriere angestrebt, die er als Ehemann einer zukünftigen Königin aufgeben musste. Keine eigene Karriere und die Anfeindungen eines Teiles der Bevölkerung in seiner neuen Heimat – er hat sich kein leichtes Leben gewählt.

Maria geht schon davon aus, dass sicher einige Menschen aus dem Umfeld der Familie-sich negativ zu dieser Beziehung geäußert haben. Aber das hatte glückerweise keine Auswirkungen auf Dora und Helmut. Da wurde ein Onkel von Dora, Coen, der mit den Deutschen „Geschäfte“ gemacht hat, schon kritischer beurteilt.

Maria macht sich aber heute schon Gedanken darüber, wie belastet eine Beziehung durch das Umfeld eines Paares sein kann, wenn größere multikulturelle Unterschiede wie zum Beispiel bei unterschiedlicher religiöser Herkunft wie christlich-muslimisch oder christlich-jüdisch vorliegen.  Auch ständen Beziehungen zwischen Ukrainern und Russen, heute auch unter keinen günstigen Sternen.

Es bleibt zu hoffen, dass in diesen Fällen die Menschen auf Offenheit und Toleranz in ihrem Umfeld treffen.

Maria freut sich darüber, aus einer solchen Beziehung zu stammen und über die Möglichkeit, über den eigenen nationalen Tellerrand hinaus sehen zu können. Auch wenn die niederländischen Sprachfähigkeiten leider nur selten einen Vorteil beim Reisen bieten und die kulturellen Unterschiede natürlich heute verschwindend gering sind.

Übrigens ist die Ehe zwischen Dora und Helmut gescheitert- und Maria geht davon aus, dass Erziehung und Lebensvorstellungen für eine funktionierende Beziehung bei den beiden doch zu sehr auseinander gingen.

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