Die 80er Jahre begannen für Marika und Benedikt ruhig. Marika hatte eine Anstellung als Buchhalterin in einem Baustoffhandel in Bergisch Gladbach gefunden, Benedikt fuhr jeden Morgen mit dem Auto nach Leverkusen in die Anwendungstechnik. Er hatte zwei Laboranten, einen knorrigen, streng katholischen Italiener und einen völlig übergewichtigen Rheinländer. Sowohl zu den Studienkollegen aus Dortmund als auch nach Dringenberg blieb der Kontakt intensiv. Und mit den neuen gleichaltrigen Kollegen entwickelten sich sofort Freundschaften.
In der Produktentwicklung Weichschaum war es schwierig, neue Ergebnisse zu erzielen, zumal der Sinn einer Anwendungstechnik ja darin bestand, für ein Produkt neue Anwendungen zu erschließen. Diese relative Erfolglosigkeit wurde jedoch von der kaufmännischen Seite, die von der Technik streng getrennt war, zunehmend und offen kritisiert. Man störte sich an den hohen Kosten und verlangte mehr Einfluss der Kaufleute. Gleichzeitig war es damals Mode geworden, mit dem Wettbewerb Gespräche zu führen, und das auch über Verkaufspreise und Quoten. Das war natürlich gesetzlich verboten, schien jedoch die Akteure nicht groß zu stören, es wurde ziemlich offen damit geprahlt, wieviel effizienter diese Absprachen doch seien verglichen mit den armseligen Erfolgen der Technik. Die damals regierende sozialliberale Koalition unternahm auch keine Bemühungen, diesem offensichtlichen Treiben ein Ende zu bereiten, denn es dürfte schon Mitarbeiter gegeben haben, die aus Ärger über die Firma bereit waren, über diese Praktiken zu sprechen.
In dieser Zeit waren auch Kommunalwahlen in Leverkusen und die endeten mit einer Sensation. Die neu gegründete Partei der Grünen, zumeist verhasst in der Industrie, gewann nämlich 3 Sitze im Stadtrat von Leverkusen und das fand deutschlandweit Beachtung. Die drei gewählten neuen Stadträte waren ein Lehrer am Gymnasium, die Ehefrau eines Bayer Chemikers aus der Forschung, den Benedikt gut kannte, sowie ein direkter Kollege aus der Anwendungstechnik. Für das Bayer- Management war es ein Schock, dass zwei der neuen Abgeordneten aus ihren Reihen stammten, zumal man stolz darauf war, fürsorglich alles für die Mitarbeiter zu tun. Dazu gehörten preiswerte Mietwohnungen ebenso wie alle Sportgelegenheiten, auch Segelfliegen, Tennis und Reiten.
Anfang der 80er beschäftigten sich Marika und Benedikt auch intensiv mit der Suche nach einem eigenen Haus. Benedikts Vorstellungen waren, dass das Haus freistehend sei, einen Garten und eine Garage hätte und einen innenliegenden Dachbalkon. Selbst zu bauen, war damals unerschwinglich teuer, die Zinsen lagen bei 8 % und die Grundstückspreise waren hoch. Allerdings bot die fürsorgliche Fa. Bayer für Mitarbeiter Grundstücke zu halbwegs erschwinglichen Preisen an, man machte Benedikt aber keine Hoffnung, dass er zum Zuge kommen könnte. Und so suchten Marika und Benedikt ab 1980 auf dem Markt für gebrauchte Häuser.
Im Jahr 1980 fuhren sie nach Tunesien in Urlaub auf die Halbinsel Djerba. Es war ein französisch geprägter Club mit Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung. Marika buchte einen Kurs für Tennis und Benedikt entdeckte seine Liebe zu Pferden. Bisher kannte er nur die Arbeitspferde der Bauern. Hier gab es Gelegenheit, echte Araberhengste zu reiten. Die Pferde waren zwar für Touristen konditioniert, aber eigentlich als Leihpferde viel zu schade. Nach einigen Übungsstunden bot ihm der freundliche Reitlehrer an, mit ihm allein einen Strandausritt zu machen. Und so galoppierte er auf einem drahtigen Schimmel am Mittelmeer entlang. Der Galopp war anfangs gewöhnungsbedürftig, doch bald fand Benedikt Gefallen daran und entschloss sich dazu, das Reiten zu Hause weiterzutreiben und nahm regelmäßig Reitstunden im nahen Bergisch Gladbach.
Ende 1980 entlud sich bei Bayer der Konflikt zwischen Technik und Vertrieb. Die Parallelabteilung Formschaum wurde aus dem Weichschaumverbund herausgelöst und Dr. Wohland blieb der Chef. Bennis Chef Dr. Röhl wechselte ebenfalls und Bennis Abteilung war fortan direkt Dr. Haupt unterstellt, was für diesen eine Degradierung bedeutete. Nebeneffekt war, dass der sonst sehr gestrenge Chef erheblich freundlicher und umgänglicher wurde.
Mit der Abtrennung der Abteilung war die Situation für Dr. Haupt noch schwieriger geworden, die feindseligen Attacken auf ihn und seine Abteilung seitens des Vertriebes nahmen an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Auch wurde seinen Mitarbeitern streng verboten, Kontakte mit den Kunden zu pflegen. Den Kaufleuten gelang es sogar, einen der Anwendungstechniker auf ihre Seite zu ziehen und dort als eine Art Trojanisches Pferd zu installieren. Die Arbeit machte Benedikt unter diesen Umständen nur noch wenig Freude.
In diesen Jahren begannen die Furstpauls auch mit der Familienplanung und zum Jahresende 1981 war Marika schwanger. In den ersten Monaten sah man ihr die Schwangerschaft kaum an. Im Juli 1982 brachte Marika dann den Sohn Rouven zur Welt, zur gleichen Zeit kauften sie ein Haus ca. 30 km von Leverkusen entfernt. Das Haus war zwar bewohnbar, es waren aber noch diverse Restarbeiten zu verrichten. Als erstes wurde die Haustreppe mit Fliesen belegt und auf der bereits bestehenden Bodenplatte eine Garage errichtet. Im gesamten Jahr 1983 verbrachte Benedikt jede freie Minute damit, das Haus so weit wie möglich fertigzustellen, dabei halfen ihm sein Vater und Schwiegervater sowie etliche Kollegen aus der Firma. Im April 1983 wurde Dr. Haupt als Abteilungsleiter abgelöst und die Abteilung wurde Dr. Wohland unterstellt, der sich aber in dieser neuen Rolle sichtlich unwohl fühlte und zur Verbesserung der Situation nichts beitragen konnte. Die Arbeit war inzwischen langweilig geworden, da in der neuen Situation schlichtweg zu viele Chemiker in der Blockschaumabteilung waren, deshalb baten Benedikt und sein Kollege Peter Vogt um eine hausinterne Versetzung und eine alternative Aufgabe. Eine Möglichkeit schien sich bei einer Tochterfirma der Bayer AG zu bieten, aber für den bisherigen Stelleninhaber musste erst eine andere Verwendung gefunden werden, was nur durch eine Intrige gelang. Stolz war Benedikt über diese charakterliche Entgleisung allerdings nicht.

Nach einigem Auf und Ab wurde Benedikt dann zu der Tochterfirma versetzt. Er wurde Werksleiter eines Schaumstoffwerks im nordhessischen Bad Wildungen, das zur Metzeler GmbH gehörte, und trat dort am 1. April 1984 seinen Dienst an. Er war direkt der Geschäftsführung unterstellt, diese bestand aus dem Chemiker Dr. Bohr, den Benedikt für einen cholerischen Alkoholiker und dem Kaufmann Peter Seng, den er für einen echten Choleriker hielt., der in seiner gesamten Laufbahn unter seinen Mitarbeitern hauptsächlich Angst und Schrecken verbreitet hatte. Aber egal, Hauptsache weg aus der langweiligen und von Kaufleuten fremdbestimmten Anwendungstechnik bei Bayer. Allerdings erwarteten Benedikt bei seiner neuen Aufgabe gleich zwei Vorgänger, die alle noch auf ihren Posten saßen, der Kaufmann Heinz Neu, 55 Jahre alt und der Techniker Ludwig Strey. Während Herr Neu für die baldige Pensionierung vorgesehen war, gab es für den Herrn Strey noch gar keine angedachte Verwendung. Dennoch gab es mit diesen Herren kaum Konflikte. Das Schaumstoffgeschäft wie das ganze Geschäft von Metzeler war defizitär und es war der brennende Ehrgeiz des Herrn Seng, dies mit allen Mitteln zu ändern. Für Benedikt, der ja ein Kenner der Schaumstofftechnologie war, gab es zunächst einmal viel Arbeit, was ihm aber nach den Erfahrungen in der öden Anwendungstechnik zusagte.
Benedikt verbrachte die Woche in Bad Wildungen, fuhr am Freitag etwas eher nach Hause, verbrachte das komplette Wochenende bei seiner Familie und fuhr am Montagmorgen gegen halb sechs zurück. Für die 190 km Fahrstrecke benötigte er nicht mehr als zweieinhalb Stunden, sodass er meist überpünktlich am Montag zum Dienst erschien. Immerhin hatte ihm die Firma einen Audi 100 als Dienstwagen zur Verfügung gestellt, ein großer Fortschritt gegenüber seinen bisherigen Fahrzeugen. Er hatte jetzt auch eine Sekretärin und diverse Mitarbeiter, die direkt an ihn berichteten und auch mit einem Betriebsrat zu tun, der ihn dezent darauf hinwies, dass von einem Werksleiter eher das Tragen eines Anzugs als eines weißen Arbeitskittels erwartet wird.
Die Nächte verbrachte Benedikt in einem möblierten Apartment. An den Abenden genoss er die vom Kurbetrieb geprägten Restaurants und Kneipen in Wildungen. Wegen seiner durchaus geschätzten Fachkompetenz fasste Benedikt schnell Fuß im Unternehmen und war auch bei der schwierigen Geschäftsführung durchaus gut gelitten. Das Haus im Rheinland, gerade erst bezogen, musste nach 2 Jahren vermietet werden und dafür eine Bleibe an der neuen Arbeitsstätte gesucht werden, was beides allerdings unter enormen Schwierigkeiten auch gelang. Ab November wohnten sie in einer äußerst großzügigen 3-Zimmer- Wohnung in einem Haus, das in der meisten Zeit nur von Ihnen allein bewohnt wurde. Marika und der kleine Rouven fühlten sich anfangs nicht besonders wohl, fanden aber schnell Anschluss an andere Eltern von kleinen Kindern.
So verbrachte sie den Jahreswechsel in ihrer neuen Heimat, feierten aber den Übergang nochmals in Ostwestfalen in der Nähe von Dringenberg mit den alten Freunden. Der kommende Winter wurde äußerst kalt. Bereits Weihnachten lag Schnee und es blieb auch den ganzen Januar über eiskalt. Der Winter dauerte mit kurzen Unterbrechungen bis in den März hinein. Im Frühjahr traf den Vorgänger, Herrn Neu, ein schwerer Schicksalsschlag. Sein zuckerkranker und depressiver Sohn sprang aus dem zweiten Stock des Krankenhauses und überlebte schwerverletzt. Durch ärztliche Behandlung wurde er körperlich wiederhergestellt, nutzte aber die nächste Gelegenheit, sich in der Küche des elterlichen Hauses mit einem Küchenmesser zu töten. Als Benedikt Herrn Neu daraufhin wiedersah, war dieser aschfahl im Gesicht und wirkte um 15 Jahre gealtert. Er schied auch umgehend aus der Firma aus.
Die anderen direkten Mitarbeiter waren die Leiter der Schäumung, der Weiterverarbeitung, der Recyclingabteilung, der Qualitätssicherung, der Produktionsplanung und der Werkstechnik, auch der Betriebsratsvorsitzende wurde von Benedikt immer mit einbezogen. Benedikt richtete eine wöchentliche Besprechung mit den zwei Kollegen des Vertriebs ein, die ihm nicht unterstellt waren, es bestand Anwesenheitspflicht. Daneben führte Herr Strey eine Art Nebendasein mit Projektarbeit bis zu seinem Ausscheiden gegen Jahresende. Ein besonderer Mitarbeiter war Herr Burr, der Leiter der Schäumung, ein eloquenter hyperaktiver, gebürtiger Düsseldorfer, der es aber häufig mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Schnell kam es auch hier wieder zu Konflikten mit den Kaufleuten, zumal Benedikt Ihnen auf die Schliche kam. Sie unterstützten die Handelsvertreter, indem reguläre Ware abgewertet wurde und zum Sonderpreis verkauft wurde. Die brachte Benedikt zwar Respekt ein, aber auch eine gewisse Feindschaft.

Die Furstpauls waren mittlerweile eng befreundet mit der Familie Resch, die zwei Kinder hatte, einen älteren Sohn und einen jüngeren im Alter von Rouven. Vater Jochen war Oberarzt in einem Krankenhaus, Mutter Gisela Hausfrau. Bereits 1985 verbrachten sie einen gemeinsamen Urlaub auf Sylt, ein beliebtes Urlaubsziel wegen Rouvens Hang zum Keuchhusten. Bei Bayer, der Muttergesellschaft von Metzeler, war man unzufrieden mit der Ertragslage der Tochterfirma und Herr Seng trug diesen Konflikt auf seine eigene brachiale Art aus. Letztlich kam dies weder ihm noch der von ihm geführten Firma zugute. Neben den üblichen Fingerhakeleien mit den Kaufleuten und ihrem Vorgesetzten Herrn Davidoff, verging das Jahr ruhig. Ein Urlaub im September führte sie ins heiße Andalusien. Wieder wartete ein langer und eiskalter Winter auf sie, der ganze Januar war eiskalt und im Februar gab es auch tagsüber Temperaturen von minus 15 Grad. Herr Strey hatte mittlerweile eine andere Arbeit im Bayer Konzern zugeteilt bekommen und Herr Davidoff verließ die Firma in Richtung Spanien. Sein Nachfolger war ein junger, ehrgeiziger Kaufmann, Herr Hecht. Benedikts Hoffnungen, zu ihm ein enges kollegiales Verhältnis aufzubauen, zerschlugen sich schnell, es wurde eher förmlich- korrekt. Im Jahr 1986 verdichteten sich auch die Gerüchte, dass die Bayer AG mit der defizitären Metzeler GmbH die Geduld verlieren würde. Auch in diesem Jahr verbrachten die Furstpauls zwei Urlaube, einen auf Sylt, bei dem der kleine Rouven bereits lange Strecken mit dem Kinderfahrrad fuhr und einen Herbsturlaub in Madeira.
Der Freundeskreis der Furstpauls in Bad Wildungen hatte sich erweitert, denn Rouven ging jetzt in den Kindergarten. Dazugekommen waren die Familien Lang mit 2 Töchtern in Rouvens Alter sowie die Familie Rapp, mit denen die Furstpauls Doppelkopf spielten. Ehefrau Edle war eine attraktive Brünette, die einigen Männern den Kopf verdrehte. Ehemann Dietrich war ein Toupet Träger, hinter dessen trockener Fassade sich jedoch eine gewisse Lebensklugheit verbarg. Auch der Winter war an diesem Jahreswechsel wieder eiskalt, das dritte Mal hintereinander Schnee bis in den März hinein. Das Reiten betrieb Benedikt auch in Bad Wildungen eifrig weiter, zumeist auf Schulpferden des örtlichen Reitstalls aber auch auf den Pferden eines Landwirts im Nachbarort. Im März 1987 verstarb Vater Heinrich Furstpaul mit 73 Jahren. Seine gesundheitlichen Probleme hatten sich bereits angedeutet, doch sein Tod kam überraschend und erfüllte Benedikt mit tiefer Trauer.
Im Frühjahr 1987 machte die Bayer AG auch Ernst mit dem Verkauf der Metzeler GmbH. Im März erschien eine hochkarätige Delegation aus der Leitung der englischen Firma Vitra, die offenbar am Kauf interessiert war. Benedikt empfing die beiden Vorstände allein, da sich Herr Seng weigerte, den Termin wahrzunehmen. Im Frühjahr zeichnete sich auch ab, dass Benedikt wegen zu viel Eigeninitiative und zu kessen Aussagen auf die Abschussliste des cholerischen Herrn Seng geraten könnte, doch während seines mittlerweile traditionellen Sylt- Urlaubs erreichte ihn die Nachricht, der Verkauf an die Firma Vitra sei perfekt. Möglicherweise rettete diese Entwicklung seinen Kopf. Den Rest des Jahres liefen hektische Bemühungen wegen des Verkaufs. Die finanzielle Situation von Metzeler hatte sich verschlechtert und Her Seng war nervös, zumal er keinesfalls für eine englische Firma arbeiten wollte und nicht wusste, welche Verwendung man bei Bayer für ihn haben könnte. Auch Benedikt war voller Erwartung und glaubte, dass nichts schlechter werden könnte, zumal er sich mit den neuen zukünftigen Kollegen der anderen Firmen der Vitra- Gruppe gut verstand. Und so endete das Jahr 1987.
Bereits am 7. Januar 1988 wurde er nach Memmingen ins Hauptwerk gebeten und ihm wurde die neue Organisation verkündet. Er sollte einen Riesenbereich verantworten, sein Vorgesetzter war allerdings sein vormaliger ambitionierter Kollege Hecht. Dies machte den Vorschlag unannehmbar und auch den Verbleib in der Firma unmöglich, was ihm schon auf der Heimfahrt von Memmingen klar wurde. Mit der endgültigen Kündigung wartete Benedikt bis zum März. In der Zwischenzeit aber wurde klar, dass es sich keinesfalls um eine professionelle und strategisch geplante Übernahme handelte. Zugleich mit der Kündigung bei Metzeler schrieb Benedikt an die Bayer AG, dass er seinen Vertrag zur Rückkehr aufleben lassen wolle. Die Bestätigung der Kündigung erfolgte sofort, im April meldete sich Bayer und gab ihm einen Termin für Mai, wo er sich bei entsprechenden Herren vorstellen sollte.
Herr Burr hatte nun bei Herrn Hecht vorgefühlt, ob er nicht Benedikts Nachfolge übernehmen könne. Zu einer Besprechung mit diesem Tagesordnungspunkt wurde Benedikt glücklicherweise ausgeladen. Aber die Ambitionen von Burr scheiterten am energischen Einspruch der anderen Kollegen der Führungsmannschaft. Auch Benedikt hätte diese Position für Herrn Burr abgelehnt. Im Mai hatte Benedikt dann einen Autounfall. Er kam bei hohem Tempo auf der Autobahn von der regennassen Fahrbahn ab, die stabile Karosserie des Mercedes W 123 verhinderte, dass er ernsthaft zu Schaden kam. Die Vorstellung bei zwei gelangweilten Direktoren bei Bayer am 12. Mai verhieß schon nichts Gutes, die Absage kam bereits am 21. Mai, für diesen Posten sei er nicht geeignet. Dieser 21. Mai 1988 war der Tiefpunkt des Jahres 1988, aber es sollten weitere folgen. Was zunächst folgte, war ein öder, langweiliger Sommer mit vielen Vorstellungsterminen innerhalb und außerhalb des Bayer- Konzern, die jedoch alle Flops waren. Innerhalb von Metzeler war Benedikt jetzt eine Lame duck. Auch eine beinahe erfolgreiche Bewerbung um eine Geschäftsführung in einem mittelständischen Unternehmen war am Ende erfolglos.
Anfang September war dann klar, dass es zurück ging in die ungeliebte Anwendungstechnik Polyurethan, diesmal in den Bereich Schuhsohlenmaterialien, das Gehalt war allerdings mehr als großzügig. Es gab eine durchaus noble Verabschiedung bei Metzeler und der 31. Oktober war dann endgültig sein letzter Arbeitstag in Bad Wildungen. Der kommende Tag war in Nordrhein-Westfalen anders als in Hessen Feiertag und am 2. November tat er seinen Posten an, sein Chef war wieder der wohlbekannte Dr. Röhl. Im Vergleich zu Metzeler war es ein Abstieg, er teilte ein Büro mit dem ungarischen Chemiker Dr. Ivant. Dieser betreute die sogenannte Partieprüfung und hatte in der gesamten Zeit, in der er mit Benedikt sein Büro teilte, kein einziges Dienstgespräch geführt. Die Gespräche am Telefon gingen ausschließlich um seine privaten Angelegenheiten. Die Schuhsohlengruppe war riesengroß. Ihr Chef war Herr Dr. Lübb, der Sohn eines ehemaligen hochrangigen Marineoffiziers. Trotz dieser familiären Herkunft trat Dr Lübb nicht führungsstark auf und schon nach wenigen Wochen war erkennbar, dass das Schuhsohlengeschäft in einer tiefen Krise steckte. Die Arbeitsdisziplin in der Gruppe war miserabel und die Qualifikation der meisten Mitarbeiter entsprach nicht Benedikts Erwartungen.
Benedikts Reisen gingen jetzt umgekehrt, am Montag um halb sechs Richtung Leverkusen und am Freitagnachmittag zurück nach Wildungen. Glücklicherweise war das Wetter zum Jahreswechsel 1988 und im Frühjahr1989 ausgesprochen mild und es gab so gut wie gar keinen Frost. Der Mercedes war durch einen VW Polo ersetzt worden. Die Kunden der Schuhsohle waren von ganz neuer Kategorie. Größter Kunde war das Leichtministerium der Sowjetunion, neben einem bekannten Sportschuhhersteller und zwei großen Herstellern von Straßenschuhen. Das Polyurethan wurde als Laufsohle verwendet und verklebte gleichzeitig das Schuhoberteil mit der Sohle.
Es erwies sich nun als sehr schwierig, zurück in das vermietete Haus zu gelangen. Der Mieter war ein Sozialfall mit vier Kindern. Die Miete erhielten die Furstpauls in der Regel als Barüberweisung durch die Mutter des Mieters. Bis das Haus endgültig geräumt wurde, war es Ende September. Von da ab erfolgte eine minutiös geplante Umbaumaßnahme und Renovierung. Dies war sicher die größte intellektuelle Leistung, die Benedikt 1989 vollbracht hatte. Die Arbeit bei Bayer war langweilig, er war unmotiviert und antriebslos. Immerhin ging es Ende November zurück in das frisch renovierte und großzügig umgebaute Haus. Kurz vor Weihnachten erhielt Benedikt von seinem ehemaligen Mitarbeiter Burr ein Päckchen mit Bildern, die in seinem Büro aufgehängt waren, und die sein Nachfolger nicht mehr haben wollte. Als Absender stand darauf: EGS – so isses! Gefragt, was das zu bedeuten hätte, antwortete Burr: Europas größter Schäumer – so isses. Damit hatte Burr sich endgültig disqualifiziert. Weihnachten besuchte Benedikt mit seiner Familie den Weihnachtsgottesdienst und erschauderte beim Gedanken an die letzten zwei Jahre, was hatte er alles an Enttäuschungen und Demütigungen ertragen müssen!