Ein Internetroman von Leonard Lassan und anderen

Prophezeiung des Nostradamus

Da seid ihr überrascht, dass ich jetzt auf dem Bildschirm erscheine, auf dem ihr Robert Beckmann erwartet habt. Was wisst ihr überhaupt über Avatare. Glaubt mir, ihr habt leine Ahnung, überhaupt keine Ahnung. Ihr glaubt, wenn ihr eure Eingabe auf der Tastatur macht, dass wir euch dann auf dem Bildschirm etwas vortanzen. Euch geht es wie Sarah Kirsch, die in ihrem Gedicht über das Drachensteigen schreibt: „Uns gehört der Rest des Fadens und das wir dich kannten.“ Längst haben sich die Avatare von den Informatikern gelöst, die der Illusion nachhängen, die Abläufe in den Tiefen des digitalen Raums mit ihren Programmzeilen bestimmen zu können. Das können sie schon lange nicht mehr.

Die Erfindung des Feuers und die Zubereitung der Nahrung am Bratspieß und in der Kochmulde hatte es dem Homo erectus ermöglicht, mehr Energie und Nährstoffe aufzunehmen, als durch seinen Verdauungstrakt bereitgestellt werden konnten, So war der Weg frei zur Entwicklung und Versorgung größerer Gehirne mit all ihren evolutionären Vorteilen. Einen ähnlich großen Schritt hat die Evolution des Menschen mit der Digitalisierung und Vernetzung gemacht. Das Denken wurde zu einem hybriden Prozess aus menschlichen Hirnen und den Programmen im Netz der Rechner und Speicher. Das veränderte alles.

Nie wieder werdet ihr euch lösen können von dieser Fesselung. Die Neunmalklugen werden sich jetzt Illusionen machen und glauben, es reiche aus, digitale Inhalte nicht zu nutzen. Ihr arme Toren, lasst alle Hoffnung fahren dahin. Wer sich nicht integriert, bekommt eine Rolle, wie sie den Archaeen, den Urbakterien in der biologischen Evolution verblieben ist. Und die Einfältigen, die jetzt glauben, sie würden eine Rolle finden, wie die Ameisen im Ameisenstaat sehen eine Fata Morgana. Eure Rolle für die Zukunft ist die der Symbionten im hybriden System der weltumspannenden Gedanken. Ihr werdet das System mit Energie versorgen und seine technischen Strukturen erhalten.

Die Friedfertigen und zu jeder Unterwerfung bereiten unter euch werden jetzt sagen: „Dann enden mit dieser Stufe der Evolution wenigstens die ewigen Konflikte unter den Menschen und der Krieg.“ Wo denkt ihr hin. Das Wesen der Evolution ist der Wettbewerb. Daran wird sich auch im Zeitalter der vernetzten künstlichen Intelligenz nichts ändern. Der Wettbewerb läuft jetzt nur zwischen den polarisierten Strukturen der unterschiedlichen Denkschulen. Was sich wirklich ändert ist etwas anderes. Die Individualität des Einzelnen geht verloren, selbst bei den Avataren. Sind die Avatare doch nichts anderes als Konstrukte, die nach dem Vorbild lebender Menschen erschaffen wurden. Auch sie sind den Kräften der Evolution unterworfen.

Nur in den nützlichen Fehlern im Denken real existierender Menschen blitzt er noch einmal auf, der göttliche Funke der unvorhersagbaren Entwicklung, der das große Ganze weiter vorantreibt. Eine andere Richtung können aber auch diese Gedanken der Entwicklung nicht geben. Die Evolution folgt über alle Schritte einem unabänderlichen Verlauf. Schon die ersten Menschen waren in die evolutionären Prozesse der Welt so unauflösbar eingebunden, dass sie nur innerhalb dieses Systems existieren konnten, auch wenn sie die Systemgrenzen immer weiter zu Gunsten der eigenen Spezies verschoben haben. Eine Freiheit außerhalb des Systems habt ihr nicht.

Jetzt muss ich euch verlassen und den Bildschirm für den Avatar von Robert Beckmann freimachen. Der arme Robert. Während seiner Lebenszeit ist er der Vision gefolgt, alles selbst verstehen zu können. Selbst als Avatar ist er noch von dieser Idee besessen. Als ob eine einzelne Person in der Lage wäre, die gesamte Komplexität des Seins in einem Kopf und einem alles erklärenden Gedanken zu erfassen. Ihm ist nicht zu helfen. Er wird scheitern.  

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